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Pulpitis bedeutet Zahnnerventzündung.

Um die Besonderheiten einer Zahnnervenentzündung zu verstehen ist es hilfreich sich vorweg mit der Zahnanatomie zu beschäftigen. Der Zahn besteht aus dem

  • Zahnmark (in der Umgangssprache Zahnnerv, lateinisch die Pulpa)
  • dem Zahnschmelz
  • und dem Zahnbein (lateinisch Dentin)

Die Pulpa besteht aus Nerven, Lymphgefäßen, Bindegewebe und Blutgefäßen. Das Dentin ist von kleinen Kanälen durchsetzt, die mit der Pulpa in direkter Verbindung stehen. Ein großer Zahndefekt z.B. durch Karies, bedeutet also eine große Dentinwunde. Die Wahrscheinlichkeit einer Entzündungsreaktion der Pulpa steigt mit der Größe der Dentinwunde. Im groben kann man 2 Schädigungsmechanismen unterscheiden, die eine Pulpenentzündung verursachen können:

  • infektiöser Schädigung (Bakterien bei Karies)

und

  • nicht infektiöser Schädigung (physikalisch/chemische Schädigung – z.B. Hitze beim bohren, Chemikalien beim ZA)

Für den Verlauf ist diese Unterscheidung wichtig, denn bei infektiöser Ursache besteht eine erhöhte Gefahr, dass sich die Kariesbakterien über die Pulpenhöhle in den Knochen ausbreiten und so eine Knochenentzündung verursachen. Aber auch bei Abwesenheit von Bakterien kann es zu einer Knochenentzündung kommen. Folgendes Denkmodel: Der Zahn wird für eine Krone beschliffen, die Wasserkühlung ist nicht außreichend und die Pulpa entzündete sich aufgrund der Überhitzung und stirbt in weiterer Folge ab. Das tote Gewebe (man spricht von nekrotischem Gewebe) wird vom Immunsystem abgebaut. Ist viel totes Gewebe, aufgrund der individuellen Wurzelkanalanatomie vorhanden, dann kann das Immunsystem mit dem Abbau überlastet sein. Zu wenige Immunzellen vor Ort tragen dann zur Entstehung einer Knochenentzündungsreaktion bei .

Meistens aber schafft es der Körper das tote nicht infizierte Gewebe abzubauen und der Wurzelkanal verkalkt in weiterer Folge (man spricht von Wurzelsklerose). Jahre später kann eine Wurzelkanalsklerose in eine Wurzelresorption münden – die Wurzel „wird“ zu Knochen. Manchmal können all diese Prozesse nebeneinander an nur einem Zahn ablaufen. Um die verschiedenen Ausgänge einer Zahnnerventzündung noch besser zu verstehen, ist es hilfreich sich ein bisschen mit dem Immunsystem zu beschäftigen. Unser Immunsystem ist in der Lage, körperfremde und körperschädigende Strukturen zu erkennen und zu eliminieren. So genannte „Markierungszellen“ erkennen und markieren fremde Strukturen (z.B. Bakterien, tote Zellen, Zellreste, Viren, Pilze). Anschließend erkennen “Fresszellen“ diese Markierungen und entfernen diese Elemente. Die Entzündung ist gebannt.

Somit ist klar – für eine Immunreaktion werden Immunzellen benötigt, diese befinden sich im Blut. Im Bereich des Entzündungsherdes muss also Blut sein, damit der Herd gut „bekämpft“ werden kann. Nun ist das abgestorbene Pulpengewebe eine „Kalkhöhle“ ohne Blutgefäße; an den Wänden hängen vielleicht noch Zellreste. Blutgefäße und somit Immunzellen finden sich aber erst im Knochen wieder. Somit haben Bakterien, die z.B. durch eine tiefe Karies eingedrungen sind, bei Abwesenheit von Blut ideale Bedingungen sich zu vermehren – sie sind sozusagen vor dem Immunsystem in der der Pulpenhöhle, geschützt. Sie ernähren sich von den Gewebsresten und vermehren sich ungestört. Irgendwann ist die Zellzahl so groß, dass sich die Bakterien in den Knochen über eine kleine Öffnung an der Wurzelspitze ausbreiten – es kommt zur Knochenentzündung. Der Körper ist nun häufig nicht mehr in der Lage, mit der großen Bakterienzahl fertig zu werden die Entzündung schreitet voran.

Wie sich der Verlauf des „toten“ Zahnnervs entwickelt hängt also von verschiedenen Faktoren ab:

  • Zugänglichkeit des Immunsystems
  • Immunstatus des Patienten
  • Art, Menge und Aggressivität der auslösenden Ursache (Bakterien ja oder nein)
  • lokale Faktoren (Zahnanatomie)

Diese unterschiedlichen Verläufe erklären auch die unterschiedlichen Zahnschmerzcharaktere – Symptome – von pochend, drückend, dumpf nicht lokalisierbar usw. Die Übergänge dieser Reaktionen sind fließend, häufig kommen auch mehrere Kombinationen vor, viele können erst nach Jahren auftreten. Zudem ist nicht zu vergessen, dass jeder Patient Schmerzen an sich anders empfindet.

Aus dem Gesagtem ergibt sich für den Zahnarzt was zu tun ist: Alle Zähne die beschliffen sind oder Füllungen haben, müssen halbjährlich auf Vitalität kontrolliert werden – dies geschieht mit dem Kältespray – mehr dazu im Beitrag Kältetest!

Wieso ist ein „toter“ Zahn, oder ein Herd eigentlich eine Bedrohung? Nun jede Entzündungsreaktion belastet unser Immunsystem, der Körper ist ständig mit „Arbeit“ beschäftigt. Auch wenn Sie keine Schmerzen haben und nichts von Ihrem Herd wissen oder bemerken. Zudem kann es, wenn es sich um einen infektiösen Herd handelt, zu einer Streuung der Bakterien kommen. Diese „Bakterien auf Wanderschaft“ lassen sich gerne dort nieder, wo sie dem Immunsystem entgehen können – z.B. an nicht eigenen Körpermaterialien (Implantate, künstliche Herzklappen,…), schlecht durchbluteten Körperteilen (Extremitäten von Diabetikern,…) oder an guten Nährböden (Blutgerinnsel – Thromben,…).

Dort richten diese „gestreuten“ Bakterien wiederum durch lokale Entzündungsreaktionen Schaden an. Deshalb gehört jeder Herd unabhängig von seiner Entstehungsgeschichte saniert – durch eine Wurzelbehandlung!