Sehr geehrter Herr DDr. Belsky,
ich bin bei einer Recherche auf Ihre Homepage geraten und fühlte mich von Ihrer Erklärung des Unterschieds von Parodontose und Parodontitis angesprochen.
Ich glaube vielen Ihrer Kollegen sind solche “Feinheiten” nicht so wichtig.
Jetzt zu meinem Problem:
Ein Mandant von mir hatte 1990 bei der Arbeit einen schlimmen Unfall, durch den er laut Arztbericht unter anderem eine Unterkieferfraktur, eine Kronenfraktur von Zahn 44, sowie durch eine Alveolarfortsatzfraktur gelockerte Zähne 32-43 und Schleimhautverletzungen im frontalen Unterkieferbereich, sowie den Verlust eines Teils seines Zahnfleisches erlitt.
Davon wurden Röntgenaufnahmen gemacht.
Röntgenaufnahmen vor dem Unfall gibt es nicht.
Der behandelnde Arzt sagte damals, dass die Zähne infolge des Unfalls voraussichtlich nach 10-15 Jahren ausfallen würden.
Im Jahre 2003 war es dann soweit.
Seitdem legte die Versicherung bereits zwei Gutachten vor, die behaupten, dass der Zahnverlust wahrscheinlich durch eine Parodontitis käme.
Den Patienten haben Sie nicht gesehen, sondern nur seine Zahnunterlagen studiert, dabei allerdings die schlechte Aufnahmequalität der Röntgenbilder kritisiert.
Frage 1: Ist es lege artis ein Gutachten nur anhand von Zahnunterlagen und nicht durch Begutachtung des Patienten zu erstellen?
Frage 2: Könnten die oben geschilderten Verletzungen zu einem ähnlichen Zahnbild führen wie eine Parodontitis?
Frage 3: Fördert unter Umständen ein solcher Unfall die Erkrankung an einer Parodontitis in erhöhtem Maße, sodass die Parodontis als eine Art Unfallfolge zu sehen wäre?
Es wäre schön, wenn Sie mir mit einer kurzen Einschätzung weiterhelfen könnten, damit ich einen Anhaltspunkt habe wie aussichtsreich unsere Position ist.
Herzliche Grüße und geniessen Sie die Sonne
Grillchen
Liebes Grillchen!
Zu Ihren Fragen:
Frage 1:
[COLOR=”Navy”]Ist es lege artis ein Gutachten nur anhand von Zahnunterlagen und nicht durch Begutachtung des Patienten zu erstellen?[/COLOR]
An sich kann man anhand der Roentgenaufnahmen sehr gut differenzieren ob die Zaehne aufgrund des Unfalls oder einer Parodontitis verloren gingen, dem medizinischen Schwur “…. spondeo …” entspricht die Vorgehensweise nicht unbedingt, aber Sie wissen ja, auch vor Gericht wird nicht immer nur Recht gesprochen … 😕
[COLOR=”navy”]Frage 2:
Könnten die oben geschilderten Verletzungen zu einem ähnlichen Zahnbild führen wie eine Parodontitis?[/COLOR]
Nein, bei einer Parodontitis kommt es zu 99,9% zu einem horizontalem Knochenabbau, das heisst der Knochen geht ueberall gleichermassen verloren, wenn Ihr Klient also eine Parodontitis hat, dann hat er die auch im Seitzahnbereich und nicht nur in der UK Front und zudem in beiden Kiefern. Normalerweise ist bei Parodontitis Patienten der Oberkiefer staerker befallen, also muss er auch Parodontitis im Oberkiefer haben, wenn nicht, dann Unfallfolge ….
[COLOR=”navy”]Frage 3:
Fördert unter Umständen ein solcher Unfall die Erkrankung an einer Parodontitis in erhöhtem Maße, sodass die Parodontis als eine Art Unfallfolge zu sehen wäre?[/COLOR]
An sich nicht, eine UK Fraktur wird normalerweise mit kleinen Metallplatten stabilisiert “Osteosynthese”, der Patient kann sehr bald wieder den Mund oeffnen und pflegen, manchmal wird – und vorallem wurde – der UK an den Oberkiefer fixiert – zwecks der besseren Heilung z.B. bei komplizierten Truemmerbruechen. Die Reinigung ist dadurch beeintraechtigt, eine Entzuendung des Zahnfleisches ist dann haeufig die Folge – Gingivitis, nicht aber des gesamten Zahnhalteapperates – Parodontitis …
Die Zaehne an sich koennen natuerlich sehr wohl durch den Unfall beeintraechtigt worden sein im Sinne der Lebensdauer, z.B. durch nachfolgende notwendige Wurzelbehandlungen, Wurzelfrakturen …
Alles Gute Ihrem Klienten …
Noch ein Zusatz, ich hoffe Sie werden den Thread noch lesen, aber rein argumentativ … wenn vor 10 Jahren ersichtlich war, dass Ihr Klient die Zaehne aufgrund einer Parodontitis verlieren wird, dann haette man die Parodontitis ja behandeln muessen. Sprich gestellte Diagnose, dann erfolgt entsprechende Therapie, wenn aber damals diese Diagnose nicht gestellt wurde, dann vermutlich keine Parodontitis …
Das waere ja fast so, als ob Sie mich ein Haus bauen lassen und sobald ich fertig bin, zeigen Sie mich an, weil kein Bau- sondern Gruenland … also entweder verlor der Klient die Zaehne aufgrund anderer Unfallfolgen, nicht aber wegen der Parodontitis, denn die haette man ja behandeln muessen, wenn im vorhinein klar … eine Parodontitis kann man behandeln und das seit ca. 20 Jahren …