Sehr geehrter Herr Dr. Belsky,

die zugrunde liegende Operation liegt schon drei Jahre zurück. Da ich noch sehr unter den Folgen leide und es mir einfach keine Ruhe lässt, suche ich noch immer nach Wegen etwas Licht in Dunkle zu bringen und hoffe, dass Sie mir dabei vielleicht behilflich sein können. Entschuldigung vorab, wenn der Beitrag etwas länger ausfällt.

Im April 2017 wurde ich unter Vollnarkose operiert, Entfernung des Zahns 46, der wurzelbehandelt war, Entfernung eines retinierten Weisheitszahns sowie Eröffnung der Kieferhöhle zur Entfernung eines Fremdkörpers (Wurzelfüllmaterial), alles auf der rechten Seite. Ich hatte bis dahin keinerlei Beschwerden. Die Operation wurde mir empfohlen zur Beseitigung potentieller Herde.

Unmittelbar nach der Operation hatte ich mehrere Tage starke Schmerzen, die rechte Zungenhälfte fühlte sich an wie verbrannt und dazu kam eine deutliche Kieferklemme, die über mehrere Monate bestand. Dazu gesellte sich ein Taubheitsgefühl der rechten Zungenhälfte sowie Geschmacksverlust auf dieser Seite und ein starkes Pelzigkeitsgefühl im Bereich der Unterlippe und des Kinns, etwa so wie wenn eine Lokalanästhesie nicht abgeklungen wäre. Meine Frage, ob ich zusätzlich zur ITN Lokalanästhesie hatte, wurde zunächst verneint. Später räumte man dann aber ein, dass eine Infiltrationsanästhesie vorgenommen worden war, zur Vermeidung späterer Schmerzen. Der Operateur versicherte mir, dass die Operation gut verlaufen sei und er keine Erklärung für die Beschwerden hätte, außer vielleicht einer postoperativen Schwellung oder ein Hämatom. Man tröstete mich mit den Worten: ‚Nur Geduld, das wird schon wieder, denken Sie nicht darüber nach, der Nerv ist sicher nur beleidigt‘.

Leider wurde es nicht wieder. Lediglich auf der Zunge verwandelte sich die Anästhesie nach ein paar Wochen in eine Hyp-/Parästhesie. Alles andere ist bis heute geblieben. In der Folge durchlief ich einen Marathon an Untersuchungen, angefangen mit Neurologie über MRT (Ergebnis: Knochenmarködem rechte Mandibula, Diskusdislokation bds., unauffällige Darstellung Nervi V.), Uniklinik Tübingen und später Uniklinik München, wo dann abschließend im Januar 2016 die Diagnose gestellt wurde: Partielle Läsion des N.lingualis und N.alveolaris inferior Grad IV bzw. V nach Sunderland, durch Weisheitszahnosteomie. Mit einer spontanen Besserung der Symptome sei nun nicht mehr zu rechnen. Von einer weiteren OP wurde mir aufgrund schlechter Prognose von mehreren Experten abgeraten. Nicht zuletzt deswegen, weil die Ursache und Lokation der Läsion nicht geklärt werden konnte.

Jetzt versuche ich damit zu leben, obwohl es mich täglich beschäftigt und meine Lebensqualität einschränkt. Ich werde das Gefühl nicht los, das man mir gegenüber nicht ehrlich war. Fehler passieren nun mal, aber keiner möchte Verantwortung übernehmen und ich fühle mich damit allein gelassen. Die Fragen, die ich noch habe, wollte mir bis heute niemand schlüssig beantworten. Ist Ihnen ein vergleichbarer Fall bekannt, wo bei einer Weisheitszahnentfernung gleichzeitig beide Nerven dauerhaft verletzt wurden? Ist es tatsächlich übliche Praxis, dass man zusätzlich zur Vollnarkose Lokalanästhesie gibt? Kann so etwas passieren ohne dass der Operateur irgendetwas davon bemerkt? Könnte es eine noch ganz andere Ursache geben, die bislang nicht betrachtet wurde? Für eine Antwort wäre ich Ihnen von Herzen dankbar.

Mit besten Grüßen
Sie1960

P.S. Eine OPG vom Zustand vor der OP hänge ich an

Belsky Answered question 12. Mai 2017