Sehr geehrter Herr DDr. Belsky,
ich bin über Google auf Ihre Seite gestoßen.
Ich hatte am 06.02.2009 eine Wurzenspitzelresektion an zwei neben einander liegenden Zähnen (11 und 12). Auf dem Kontrollröntgen sah alles wunderbar aus.
Ich hatte die Tage danach starke Schmerzen und habe bis 5 Tage nach der WSR Parkemed gebraucht – so weit, so gut.
Nun spüre ich knapp vier Wochen nach der Operation noch immer mehrmals am Tag ein Ziehen und Stechen. Wenn man Bekannte fragt, wie lange man Schmerzen nach einer WSR hat, hört man ja von 2 Tage bis 8 Wochen alles. Deswegen meine Fragen:
1.) Halten Sie es für normal, dass ich noch immer etwas spüre? Kann das noch von der Operation kommen, oder ist eine neue Entzündung wahrscheinlicher?
2.) Wenn der Zahn erneut entzündet ist, möchte ich ihn reißen lassen. Eine zweite WSR kommt wg. Knochenverlust für mich nicht infrage. Ich habe aber wahnsinnige Angst davor, dass ich dann monatelang mit einem Loch herumrennen muss, bis ich ein Implantat bzw. dann später die Krone darauf bekommen kann. Wie kann man das überbrücken? Gibt es da Möglichkeiten, diese Zeit mit einem Provisorium zu überbrücken? – Ich arbeite u. a. auch im Bereich des Erwachsenentrainings, d. h. ein Loch, noch dazu ganz vorne an den Schneidezähnen, fällt SOFORT auf.
3.) Kann es sein, dass die Schmerzen an diesen Zähnen von meiner CMD kommen? Ich leide nämlich zusätzlich an einer Craniomandibulären Dysfunktion, einer komplexen Erkrankung der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur sowie der HWS.
Ich habe so wahnsinnige Angst, dass ich manchmal auch schon glaube, ich steigere mich in etwas hinein. Mein Chirurg meint, wenn gegen Ende der Woche nicht alles weg ist, soll ich mich noch mal melden.
Es ist so vertrackt, weil ein Arzt schickt einen zum anderen, keiner ist für meinen gesamten Mund zuständig. Ich bin bei einem Zahnarzt, einem Kieferorthopäden und einem Kieferchirurgen in Behandlung. Das alles ist so belastend, weil jeder immer nur ausweichende Antworten gibt.
Was meinen Sie?
Ich danke Ihnen herzlich schon im Voraus für Ihre Zeit und Antwort.
Freundliche Grüße,
Christina Kapl
Liebe Frau Kapl!
1.) Halten Sie es für normal, dass ich noch immer etwas spüre? Kann das noch von der Operation kommen, oder ist eine neue Entzündung wahrscheinlicher?
Es sind jetzt knapp vier Wochen – seit der OP – je nach Ausgangsbefund können Sie mehr oder weniger spüren. Die Beschwerden sollten aber besser – weniger werden. Ist das nicht der Fall, sind die Beschwerden gleichbleibend und/oder schlimmer werdend, dann stimmt was nicht …
Wenn ich sage Beschwerden, dann meine ich nicht, dass Sie beim herum drücken Schmerzen haben, denn viele Patienten drücken und ziehen an der Wunde so lange, bis sie dann eben Beschwerden bekommen …
Wenn Sie die Wunde also in Ruhe lassen, dann kann es schon sein, wenn die Infektion groß war, dass Sie noch ein zeihen, zwacken spüren – kommt und geht … ein kontinuierlicher Dauerschmerz ist eher ein Zeichen das was nicht in Ordnung ist….
2.) Wenn der Zahn erneut entzündet ist, möchte ich ihn reißen lassen. Eine zweite WSR kommt wg. Knochenverlust für mich nicht infrage. Ich habe aber wahnsinnige Angst davor, dass ich dann monatelang mit einem Loch herumrennen muss, bis ich ein Implantat bzw. dann später die Krone darauf bekommen kann. Wie kann man das überbrücken? Gibt es da Möglichkeiten, diese Zeit mit einem Provisorium zu überbrücken? – Ich arbeite u. a. auch im Bereich des Erwachsenentrainings, d. h. ein Loch, noch dazu ganz vorne an den Schneidezähnen, fällt SOFORT auf.
Schauen Sie auf www.checkdent.comund geben Sie “Marylandbrücke” im Suchfeld ein … das wäre eine von vielen Möglichkeiten …
3.) Kann es sein, dass die Schmerzen an diesen Zähnen von meiner CMD kommen? Ich leide nämlich zusätzlich an einer Craniomandibulären Dysfunktion, einer komplexen Erkrankung der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur sowie der HWS.
Kraniomandibuläre Dysfunktion ist ein in der Medizin ein häufig fälschlich verwendeter Ausdruck für Schmerzen und/oder sonstige Symptome im Gesichtsbereich.
Der Begriff Kraniomandibuläre Dysfunktion – abgekürzt CMD ist unklar, da er nicht definiert ist, Funktion bedeutet „das Arbeiten, oder die Funktion eines Organs“, Dysfunktion demgegenüber heißt also gestörte Funktion. Die Dysfunktion des Kauapparates ist in der Ärzteschaft nicht definiert, so behandeln z.B. manche Ärzte Kiefergelenksknacken, obwohl der Patient sonst keine Probleme hat, andere Ärzte behandeln dies wiederum nicht. Häufig führen solche Überbehandlungen aber dazu, dass der Patient Probleme – also Schmerzen bekommt.
Demgegenüber ist der Begriff Myoarthopathie – abgekürzt MAP, klar definiert, behandelt wird, worunter der Patient leidet. Myoarthopathie leitet sich aus dem griechischen Wörtern mys: Muskel, arthron: Gelenk und pathos: Leiden ab. So wird z.B. ein Abweichen des Kiefers bei der Mundöffnung (sogenannte Deflexion), wenn sonst keine Beschwerden bestehen, nicht behandelt, das fällt unter Normvariation des Kiefergelenkes.
Mit anderen Worten vertreten Kollegen, die den Begriff MAP verwenden‚ die Auffassung, dass viele Symptome des Kiefergelenkes wie Kiefergelenksknacken, zeitlebens verminderte Mundöffnung, Deflexion, und uvm. bei sonstiger Beschwerdefreiheit eine Normvariation des Gelenkes darstellen und somit nicht als behandlungsbedürftig gelten. Demgegenüber behandeln Ärzte, die den Begriff CMD verwenden häufig Symptome, aber keine Beschwerden und dass mit uneinheitlichen Therapiekonzepten.
Es gibt keine wissenschaftlichen Arbeiten die aufzeigen würden, das Kiefergelenke die z.B. Knacken häufiger schwerwiegende Probleme (wie Schmerzen, eingeschränkte Mundöffnung) verursachen, als solche, die nicht knacken. Wieso sollte es beim Kiefergelenk auch anders sein, als bei den anderen Gelenken des menschlichen Körpers, auch da gibt es keine Hinweise für einen Unterschied.
Das für eine Erkrankung zwei unterschiedliche Diagnosen existieren ist in der Medizin nichts Seltenes. Es spiegelt die Entwicklung der Medizin, von einer rein subjektiv zu einer Evidenz basierten Therapie hin. Viele Ärzte vergleichen auch heute noch das Kiefergelenk mit dem Artikulator. Ein Artikulator ist ein Gerät, welches Kaubewegungen simulieren soll, solch ein Gerät ist bei der Anfertigung von Zahnersatz hilfreich, der Vergleich mit dem biologischen System „Kiefergelenk“ hinkt aber.
Dennoch gibt es zahlreiche Anhänger der Artikulator Theorie und jegliche Funktionsabweichung des Kiefergelenkes von der Artikulatorfunktion wird/wurde als Dysfunktion bezeichnet und auch therapiert, egal ob der Patient Probleme hatte oder nicht.
Die Diagnose CMD sollte Sie also nicht weiter beunruhigen, solange Sie keine Schmerzen haben und Ihre Mundöffnung schon zeitlebens vermindert ist. Zum Arzt sollten Sie gehen, wenn Sie plötzlich eintretende Veränderungen wahrnehmen, z.B. wenn Sie Ihren Kiefer von einem Tag auf den anderen nicht mehr ordentlich öffnen können, ohne ersichtlichen Grund. So ist z.B. nach Zahnarztbesuchen eine eingeschränkte Kieferöffnung häufig anzutreffen, aufgrund eines akuten Kiefergelenkergusses.