Lieber Herr Dr. !
Kurz meine Geschichte: Ich hatte im August des Vorjahres eine Wurzelbehandlung. Leider ist diese misslungen. Die ersten Schmerzen traten dann Ende September auf.
Ich suchte das AKH Wien auf und war ca. für 2 1/2 Wochen ambulant in Behandlung. Ich musste in dieser Zeit sehr viele schmerzen durchmachen.
Man ist draufgekommen, dass man mir bei der Wurzelbehandlung den Wurzelkanal durchbohrt und das Wurzelspitzenfüllmaterial man mir in den Kieferknochen oder Weichteilen quasi injeziert hat. Das liegt nun seid dem bei mir im Kiefer (sehr nahe an einem der wichtigsten Nervenkanal) Eine Operation wurde dann nicht durchgeführt, da es zu riskant gewesen wäre mir den nerven zu durchtrennen und ich dann sensibiliätsstörungen hätte.
So, ich habe dies nun beanstandet und mittlerweile liegt auch ein Gutachten eines Primar auf, in welchen geschrieben wird, dass auch bei sorgfältigster Vorgehensweise, dies eine nie vermeidbare KOmplikation ist.
So, kurz um, der Arzt hat zwar nach der Wurzelfüllung ein Röntgen gemacht, dass er viell. gesehen hat aber nicht gesehen hat, dass es ihm misslungen ist.
Die Frage die sich nun stellt ist folgende: Hätte es an dem Krankheitsverlauf was geändert wenn er es gleich erkannt hätte? Lt. dem Schreiben dass mir aufliegt, hätte dies nichts zur sache getan. Somit ist es kein kunstfehler weil es selten, aber immer doch vorkommen kann.
Ich finde trotz allem dass mir aufgrund der schmerzen die ich in der zeit durchmachen musste, schmerzensgeld zusteht.
Aus welcher sicht sehen sie die ganze Sache?
Wäre Ihnen für Ihren Rat sehr dankbar, da ich im moment nicht weiter weiss, und bevor ich vor gericht gehe bzw. einen Privatgutachter beauftrage, dass ja alles sehr viel geld kostet, bitte ich um Ihre Stellungnahme.
Herzlichen Dank im vorhinein
Lg
Liebe Fr. Tanja!
Zu Ihrer Frage muss ich ein bisschen ausholen. Wurzelbehandlungen sind kein einfaches Thema, zudem kann ich Ihnen und dem Leser ein generelles Problem der Medizin darbieten. 😯
In der Medizin werden ja wie Sie wissen viele Studien gemacht, je nach Krankenhaus hält man sich an die eine oder andere Studie. Leider werden viele Studien nicht richtig durchgeführt, sodass die Ergebnisse nicht wirklich signifikant sind. Wir Ärzte werden im Studium methodisch nicht geschult um gute statistische Studien zu designen.
Das Psychologie Studium besteht hauptsächlich aus Statistik Elementen, ein ganz großer international bekannter Statistiker war z.B. Prof. Fischer von der Psychologie.
So kommt es, dass es gewaltige Unterschiede in den Behandlungsmethoden gibt, einige halten sich an diese, andere an jene Studie. Die eine wurde gut durchgeführt, die andere eher mittelmäßig bis schlecht. Nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb der verschiedenen Krankenhäuser existieren da große Unterschiede.
Glücklicherweise setzt sich immer mehr der Trend durch, sich auf so genannte Evidence-Based Medizin Studien zu berufen. Diese Studien werden von einer Datenbank verwaltet und es werden nur Arbeiten angenommen, die ein spezielles Design aufweisen. Dieser Trend wurde vor allem von den Internisten eingeführt und etabliert sich immer mehr als Standard.
Z.B. Placebo kontrollierte, doppelblind Studien – d.h. mindestens zwei Patienten Gruppen, die Einen bekommen ein Medikament, die Anderen eine wirkungslose Maßnahme, der Arzt selber weiß nicht wem er was gibt – zudem muss eine bestimmte Anzahl an Probanden verfügbar sein, um den statistischen Zufall aus zuschließen, u.s.w. An solchen Studien sind meistens viele Köpfe beteiligt, ein Statistiker, ein Mediziner, ein Psychologen, ein Biologe u.s.w.
Es hängt aber nach wie vor vom Chef der Abteilung ab, ob er es schafft, dass diese Arbeiten in seiner Abteilung auch befolgt werden, hierzu braucht es ein striktes gut durchdachtes Management System – da ist das nächste Problem, wir Ärzte sind keine Manager. 😕
Na ja, wieso erzähl ich Ihnen das alles, der Punkt ist folgender, in England war man zur Zeit meiner Ausbildung der Meinung, dass das Überfüllen des Kanals die beste Variante sei, um einen Kanal zu verschließen. Unser damaliger Chef hätte uns die Ohren lang gezogen, denn an unserer Abteilung galt es die Kanäle nur bis zur Wurzelspitze abzufüllen.
Somit ist es schwierig vorweg zu behaupten was richtig und falsch ist, denn es existieren zu diesem Thema viele Meinungen und wenig gute Arbeiten. 🙁
Wir halten uns bezüglich Wurzelkanalfüllungen an Empfehlungen von Peter Guldner und Kaare Langeland, zwei Ärzte, die ausschließlich endodontisch tätig sind und sehr viele Arbeiten zu diesem Thema publiziert haben. Diese Herren empfehlen Wurzelbehandlung nur mit einem Mikroskop und einen Kofferdamm durchzuführen. Zudem mehrere Minuten langes spülen der Kanäle mit 1% NaOCl und zuletzt mit 95% Alkohol, neu auch mit Chlorhexidin. Die Füllung sollte mit 99% Guttapercha und 1% AH26+ erfolgen, der Kanal sollte bis zur Wurzelspitze abgefüllt sein. Zu erwähnen ist, dass wir nur Backenzähne unter dem Mikroskop abfüllen.
Dies ist aber sicher nicht der einzige Weg, der zum Ziel führt, vielleicht wird es einmal Evidence Based Studien zum Thema Wurzelbehandlungen geben und somit eine klare Vorgabe.
Wenn man also die Überfüllung als Komplikation sieht, was nach meiner Schilderung Ländersache ist, so ist zu erwähnen, dass diese im Aufklärungsbogen steht und man damit als Patient rechnen muss.
Eindeutig wäre es, wenn das Füllungsmaterial direkt im Nervkanal wäre, da gibt es keine Meinungsunterschiede, in solchen Fällen muss man das Material entfernen.
Bezüglich dem Röntgenbild nach der Wurzelbehandlung ist zu sagen, dass man nicht immer alles auf solch einem Kleinbild sieht, und erst auf teuren speziellen Aufnahmen werden bestimmte Dinge sichtbar. Ob und was der Kollege gesehen hat kann ich nicht beurteilen, wenn aber ein Gutachter eingeschaltet wurde, dann wird dieser das Bild sicher schon ordnungsgemäß beurteilt haben.
Ich hoffe Ihnen geholfen zu haben, ich würde Ihnen raten sich in Ruhe mit dem Kollegen bezüglich einer Lösung zu unterhalten. Wo gehobelt wird fallen Spänne, wichtig ist, dass man ein Problem erkennt und es einer Lösung zu führt. So könnte der Kollege Ihnen bei der technischen Versorgung mittels Keramik entgegen kommen. Streitereien vor Gericht bringen meistens nur Verlierer auf beiden Seiten, es kostet viel Kraft und Energie. 😀
Lieber Hr. Doktor,
dass so etwas passieren kann wurde mir erst nach der Behandlung durch die Ärzte im AKH mitgeteilt.
Ich wurde von meinem Zahnarzt nicht über die Risiken aufgeklärt.
Die Frage, die für mich nun entscheidend ist:
Wenn der behandelnde Zahnarzt das Röntgenbild nach der Behandlung angeschaut hätte und gemerkt hätte, dass das Füllmaterial nicht dort ist wo es hingehört, hätte er gleich das Problem beheben können oder nicht?
Liebe Fr. Tanja!
Hätte man im Röntgen die Überfüllung gesehen, so muss der Patienten hingewiesen werden, dass dieser Fall eingetreten ist. Es ist aber zu betonen, dass dies sehr häufig passiert und nur selten Schmerzen daraus resultieren, somit wäre ein eingreifen erst nach einer Schmerzphase gerechtfertigt.
Während der Behandlung haben Sie eine Anästhesie erhalten – somit spürten Sie unmittelbar nach der Behandlung nichts, nach einer Wurzelbehandlung generell kann der Zahn noch 2-3 Tage “schmerzen” – spürbar sein.
Erst nach dieser Latenzphase – also 2-3 Tagen wäre bei moderaten Beschwerden die Überlegung über die Entfernung des Materials zu denken (z.B. durch Extraktion, oder Wurzelspitzenresektion). Je nach Klinik (Schmerzen) und Menge der Überfüllung wird man eher oder später agieren.
Hr. Doktor,
die Schmerzen traten ca. 4-5 Wochen nach der Behandlung auf.
Man sieht im Röntgen, welches nach der Fülluing gemacht wurde auch die Überfüllung, ich wurde jedoch nicht daraufhingewiesen.
Um mein Gewiussen zu beruhigen würde ich einfach nur gerne wissen, ob der Arzt sofort in seiner Ordination etwas unternehmen hätte können, oder er mich in eine Kieferchirurgie übermitteln hätte müssen?
Vielen Dank im Voraus.
mfg
Liebe Fr. Tanja!
Wie gesagt wartet man bei solcher einer Situation ab, zudem haben Sie ja selbst wie Sie sagen, Schmerzen erst nach 4-5 Wochen gehabt – somit ist ein Zusammenhang mit der Überfüllung eher unwahrscheinlich.
Es exisiteren viele Gründe, wieso ein Zahn nach dieser Zeit wieder zum Schmerzen beginnen kann, aufgrund einer Überfüllung eher unwahrscheinlich, die tut wenn dann unmittelbar weh.
Ich würde in Ruhe das Gespräch mit Ihrem ZA suchen, sicher wird er auch Verständnis für Ihre Schmerzen haben und Ihnen entgegen kommen.
Die Medizin ist keine Kunst sondern ein Handwerk, somit gibt es keine Kunstfehler, sondern nur Fehler, wie überall auch. Meistens kann man diese Fehler, Komplikationen und Mißgeschicke lösen, noch viel einfacher geht es in Kooperation miteinander.
MFG