Diskusverlagerung ist ein unglücklich getroffener Ausdruck für die Abweichung der Diskuslage von einer willkürlich festgelegten „Normposition“.
Der Diskus ist eine Art knorpelige Beilagscheibe zwischen Kiefergelenkköpfchen und Pfanne. Diskusverlagerungen werden häufig differenziert in Diskusverlagerungen mit Reposition bzw. Diskusverlagerungen ohne Reposition.
Die Diagnose „Diskusverlagerung“, entstammt einer stark mechanistischen Sichtweise unseres Körpers. Es ist bis heute nicht geklärt, ob es überhaupt eine eindeutig physiologische Position des Diskus gibt. Viele Menschen haben eine Diskusverlagerung, aber überhaupt keine Probleme, andere wiederum haben keine Verlagerung, trotzdem aber Kiefergelenksbeschwerden. Mediziner lösen sich aufgrund neuer Erkenntnisse immer mehr von starren Konzepten, die Diskusposition scheint in Bezug auf Kiefergelenksbeschwerden an Bedeutung zu verlieren.
Eine Diskusverlagerung mit Reposition nach dem alten Konzept beurteil, liegt dann vor, wenn der Diskus bei Bewegung des Unterkiefers wieder auf den Unterkiefergelenkkopf (Kondylus) zurück „springt“. Eine Diskusverlagerung ohne Reposition nach dem alten Konzept beurteil, liegt dann vor, wenn der Diskus nicht mehr auf den Kondylus aufspringt, sondern während der gesamten Unterkieferbewegung verlagert bleibt.
Die Symptome einer Diskusverlagerung (DV) sind sehr unterschiedlich, das Kiefergelenkknacken ist z.B. kein verlässliches Symptome einer Diskusverlagerung. Eine DV ist auch nicht immer mit Schmerzen verbunden. Hypothesen zur Entstehungsgeschichte von DVen haben sich in den letzten 70 Jahren deutlich gewandelt. Ausgehend von einem mechanistischen Modell, wurden nach und nach physiologische Theorien eingeführt, die nun in ein biopsychosoziales Konzept münden. Biopsychosozial in der Krankheitsentstehung von DV bedeutet, dass genetische, soziale und psychische Faktoren eine Rolle spielen. Die Ursachen für die Entstehung einer DV mit oder ohne Reposition sind nicht letztlich geklärt. Interessant ist, dass Frauen deutlich häufiger an Kiefergelenkserkrankungen erkranken als Männer.
Die Diagnose einer DV mit oder ohne Reposition wird heute aufgrund der klinisch erhobenen Symptome gestellt. Aufgrund der ungeklärten Entstehung der DVen ist der therapeutische Ansatz in der Regel symptomatisch ausgerichtet, sprich ob eine DV therapiert wird oder nicht, bestimmen letztendlich Sie selbst. Haben Sie kaum oder gar keine Beschwerden, dann besteht auch keine Indikation zur Therapie.
Eine Diskusverlagerung ohne Reposition kann meist nicht vollständig therapiert werden, da eine manuelle Reposition des Diskus nur selten gelingt. Nicht chirurgische Therapiemaßnahmen (wie Schienentherapie) zielen darauf ab, die Beeinträchtigungen abzumildern. Okklusionsschienen können zwar in Abhängigkeit vom Grad der vorgelegenen DV eine Reposition des Diskus erreichen, das Ergebnis ist jedoch nicht sicher zu stabilisieren. Eine Beschwerdereduktion wird unabhängig von der Diskusreposition auch nach kurzfristiger Tragedauer der Schiene erzielt.
Alternativ stehen chirurgische Maßnahmen zur Verfügung, die entweder eine Diskusreposition, Diskusentfernung (Diskektomie) oder eine Schmerzlinderung durch Spülung des Kiefergelenks (Arthrozentese mit Lavage) zum Ziel haben. All diese Methoden haben bis heute aber keinen Vorteil gegenüber den nichtchirurgischen Therapien aufweisen können.
Zur Therapie und Symptomatik der DV kann Folgendes zusammen gefasst werden:
- Kiefergelenkknacken ist nicht charakteristisch für eine DV mit Reposition
- DV ohne Reposition korreliert häufig mit einer plötzlichen temporären Einschränkung der Kieferöffnung
- DVen müssen nicht mit Schmerzen einhergehen. Schmerzen treten aber häufiger bei DV ohne Reposition auf
- Das Risiko, dass sich aus einer DV mit Reposition eine DV ohne Reposition entwickelt konnte wissenschaftlich nicht bewiesen werden
- Die Möglichkeit zur Reposition des Diskus nimmt mit zunehmender Dauer der DV ab
- Schmerzen bei DVen lassen sich gut therapieren, die veränderte Diskuslage nicht
- Die Notwendigkeit einer Therapie bei DV ohne Beschwerden ist nicht gegeben
Degenerative Veränderungen aller Gelenkstrukturen treten in Folge einer DV ohne Reposition auf. Morphologisch sind deutliche Veränderungen an den Strukturen des Kiefergelenks festzustellen. Diese sind jedoch als selbst limitierende Adaptationserscheinungen zu werten. Unter der Anwendung konservativer Therapiemaßnahmen wird die Schmerzsymptomatik und die Kieferöffnungsweite bei Patienten mit DV ohne Reposition positiv beeinflusst, jedoch selten völlig beseitigt Schmerzsymptome beeinträchtigen die Lebensqualität stärker als die eingeschränkte Mundöffnung. Es bleibt unklar, warum manche Patienten eine Adaptation erfahren und nahezu beschwerdefrei sind, andere jedoch deutliche Beschwerden beibehalten. Zahlreiche unwirksame Therapien wurden/werden bei DV angeboten, so z.B. die Pulsierende Signaltherapie (PST), oder die Athrozenthese.
Die klinischen Befunde bei bestehender DV verbessern sich signifikant während eines Beobachtungszeitraums von nahezu 2 Jahren. Da der Behandlungsbedarf nicht von den Befunden bildgebender Verfahren abgeleitet wird, sondern durch die klinische Symptomatik gegeben ist, sollten reversible konservative Behandlungsmethoden bevorzugt werden.